Sogar
Kartoffelkäfer gingen auf Tauchgang
Regatta: Größtes touristisches Wassersport-Ereignis
im Osten
Muldentalkreis. Eine Seefahrt, die ist lustig, eine Seefahrt, die
ist schön... Das Liedchen hatte DJ 207 zwar nicht auf CD. Das
hielt die Teilnehmer der 2. Mulde-Regatta aber nicht davon ab, es
zum Motto für den Tag zu machen. Für Stimmung zu sorgen
beim größten touristischen Wassersport-Ereignis Ostdeutschlands,
war also Sache der knapp 800 Paddler. Dass auch alles andere stimmte,
dafür sorgten viele ehrenamtliche Helfer in Grimma, Wurzen und
entlang der Strecke. Schon im letzten November hatten sie mit den
Vorbereitungen begonnen.
Lange bevor um 10 Uhr der Startschuss fiel, tummelten
sich auf dem schmalen Uferstreifen entlang der Stadtmauer hunderte
"Paddel-Wütige". Schlussendlich registrierten die
Damen im Org.-Büro 760 Teilnehmer - gut 40 mehr als zum Regatta-Debüt
im letzten Jahr. Das hieß zunächst anstehen und warten,
bis man mit Mann und Boot auf einen der Landestege gewunken wurde.
Feuerwehrleute packten dort kräftig mit an, hielten die Kähne,
halfen beim Einsteigen - und doch stiegen manche gleich wieder aus.
Unfreiwillig natürlich, wie die Kartoffelkäferbande aus
Grimma. Die drei Jungs hatten sich wirklich super zurecht gemacht
für diesen Tag auf dem Wasser: Tiefgrünes Kanu, sie selbst
sahen mit ihren gelb-schwarz-gestreiften Helmen Kartoffelkäfern
zum verwechseln ähnlich. Und trotzdem war ihre erste Begegnung
mit der Mulde eine pitschenasse. Kartoffelkäfer sind nun mal
keine erfahrenen Wasserratten. Entmutigen ließen sich die
Drei davon nicht. Voll Sportsgeist schöpften sie das Wasser
aus dem Kahn, stiegen zum zweiten Mal ein, diesmal geschickter.
Wie den Kartoffelkäfern ging es noch anderen
Paddelfans. Die waren allerdings weniger Pechvögel, als selber
schuld am Tauchgang. Sie wollten eben nicht wie alle andern am Bootssteg
anstehen. Der Versuch, auf eigene Faust schon an der Großmühle
einzusteigen, bescherte ihnen nicht bloß nasse Füsse.
Jürgen Heymann, Chef der Wasserwacht in Grimma,
konnte über solche Unvernunft nur den Kopf schütteln,
freute sich aber, dass die Teilnehmer in diesem Jahr insgesamt disziplinierter
waren. Dabei wurde den Hobby-Seefahrern das Warten leicht gemacht:
Leute vom Seesportverein waren seit 7 Uhr auf den Beinen, damit
sich die Aktiven am Versorgungsstand auf der Muldenwiese mit Proviant
für die 22 Kilometer-Tour eindecken konnten. Und die haben
kräftig zugelangt: Fünf Kästen Bier waren um 11 Uhr
ausverkauft, Kümmerling und andere neckische Stimmungsmacher
waren zwar noch vorrätig, aber gingen ähnlich gut weg
wie die Fettbemmchen. Zusammen mit den Disco-Rhythmen, die DJ 207
durch die Boxen jagte, entstand auf der Start-Wiese echtes Party-Flair.
Später, als Muskelkraft gefragt war und auf
dem Fluss kein Baum vor der Sonne schützte, hätte mancher
wahrscheinlich lieber nur Wasser intus gehabt... Gut dran, wer da
nicht nur zu zweit oder zu dritt sein Boot gen Wurzen schippern
musste. Am Regatta-Start waren auch in diesem Jahr wieder etliche
Mammut-Besatzungen. Neben einigigen Zehner-Schlauchbooten schaukelten
zwei Neuner und gar eins mit zwölf Leuten auf der Mulde. Die
hatten natürlich Vortrieb, aber auch ganz schön zu tun
an den vier Wehren, um die die Boote rum getragen werden mussten.
Dass die Plackerei in diesem Jahr wesentlich reibungsloser
klappte, lag am besseren Zusammenspiel von Wasserwachtlern, Feuerwehrleuten
und Männern vom Technischen Hilfswerk. Die Regatta-Veranstalter
hatten die Sicherheitstrupps in diesem Jahr außerdem um 60
Leute auf 160 aufgestockt - eine Lehre aus dem letzten Jahr, als
die ehrenamtlichen Helfer an manchem Ein- und Ausstieg gern mehr
Unterstützung gehabt hätten. Diesmal gab es dank der Verstärkung
kaum Nadelöhre. Bis auf Golzern eben, wo die Natur auch der
besten Organisation Grenzen setzt.
Doch das störte das illustre Völkchen
in den Booten kaum. Die knapp 800 Paddler wollten an diesem ersten
Juli-Tag einfach nur Spaß haben und hatten sich wahrscheinlich
schon seit dem letzten Jahr auf die 2. Regatta gefreut. Denn manche
Bootsbesatzung kam in wirklich aufwändiger, dafür witziger
Kostümierung daher. Etwa die "Mexikaner" - als hätten
sie geahnt, dass der Sommer nach langer Pause am Sonnabend wieder
richtig zuschlägt, hatten sie sich breitkrempige Strohhüte
übergestülpt. Eher an den Matrosenlook hatten sich zwei
Mädels im bunten Schlauchboot gehalten. Ganz in Weiß
mit breitem Matrosenkragen und blauer Bommel an der Mütze,
waren sie zwar ein echter Hingucker, doch vom Fleck wollten sie
nicht recht kommen. Wie auch, wenn beide Damen auf der selben Seite
paddeln? Aber weit gefehlt, wer glaubt, dass das nur Frauen passieren
kann - der Mann im Einer hatte nur die bessere Ausrede: "Ich
wollte erstmal ein paar Runden drehen, eh ich losfahre..."
Besser im Griff hatten ihr Boot die Damen und Herren
vom Muldentaler Squash- und Badminton-Club. Mussten sie auch, weil
sie mit Ann-Marie die wohl jüngste Teilnehmerin der Regatta
an Bord hatten. Gerade viereinhalb Monate alt, ging sie im knallroten
Gummiboot mit auf Tour. Gerd Wohlfahrt und Jan Nitzschke aus Altenbach
mussten solche Rücksichten nicht nehmen. Die beiden 20-Jährigen
waren schon bei der 1. Regatta dabei und gingen auch diesmal im
silbergrauen "Renn-Kahn" an den Start. Die Flagge am Boot
- Mercedes-Stern auf weißem Grund - musste natürlich
provozieren: "Was, die Nussschale holen wir doch locker ein".
Ob's geklappt hat? Immerhin gucken Jan und Gerd daheim Formel Eins
und achten da besonders auf McLaren Mercedes...
Katrin Funke
©
Leipziger Volkszeitung Online vom 02.07.00
Einhelliger Wunsch:
Nächstes Jahr wieder!
791 Wasserwanderer eroberten die Mulde zwischen
Grimma und Wurzen / Weit gereiste Gäste kamen aus Frankreich
Grimma/Wurzen. Exakt 12.26 Uhr legten sie an: Martin Hähle und
René Mühlmann aus Leipzig hatten 2 Stunden 35 Minuten für
die 21,5 Kilometer von Grimma nach Wurzen gebraucht. Mit dem Bonus
des Erstplatzierten machten sie sich per Auto auf, den Trubel an der
Regattastrecke zu genießen, denn zwischen Grimma und Wurzen
fand die größte Wassertouristikveranstaltung Ostdeutschlands
statt: 791 Wasserwanderer in 337 Booten - da staunte selbst Heiner
Quandt, Präsident des sächsischen Kanuverbandes. Der Kameramann
von Nordsachsen TV belagert am Ziel den Steg. Er hat den Start der
Mannschaft von Barsinghausen und Mont Saint Aignon eingefangen. Ihr
Zieleinlauf wäre sein ideales Schlussbild. Gerade darauf kann
er lange warten. Bei kühlem Bier, Dixieland und Swing von "Six
Pack" auf der Schlossterrasse Trebsen genießen die Gäste
den Tag und die Verlockungen an der Strecke. Der 16-jährige Hannes
Burkhardt hat dazu keine Zeit. Der Wanderkanute von der SG Lok Wurzen,
mit 26 Teilnehmern dabei, kommt als Zweiter ein, weil er's eilig hat:
14 Uhr hat er Auftritt beim Musikschulfest.
Über sich selbst erstaunt ist Mutzschens Bürgermeister
Heinrich Hiersemann. Er legt gleich nach Landrat Gerhard Gey (3.)
an, und der hatte mit Sylvia Quandt immerhin eine mehrfache DDR-Meisterin
im Kanu-Slalom im Boot. Hiersemanns halten zum ersten Male ein Paddel
in der Hand. Gotthard Weinert hingegen paddelt seit 1955. Der über
60-jährige hat sich unterwegs sein Bierchen gegönnt. Der
niedrige Wasserstand schreckt ihn nicht "Muldekiesel sind rund",
lacht er. Nur mit Hilfe der Talsperre Eibenstock hatten die Veranstalter
für die nötige Handbreit Wasser unterm Kiel sorgen können.
Gegen 10.45 Uhr stieg der Wasserspiegel um knappe 15 cm. OBM Anton
Pausch freilich kam bei Trebsen ohne Riss im Faltboot nicht davon.
"Man braucht Flickzeug und wasserdichte Schuhe", nimmt
es der Wasserwanderer gelassen und lobt: "Einwandfreie Ein-
und Ausstiege, freundliche Helfer an der Strecke, sehr gute Teilnahme
und für jeden Beifall." Sein Amtsbruder Osmar Brück
aus Grimma sitzt schon beim Bier im Festzelt. Er hatte ein festeres
Boot gewählt.
Mit Picknick-Körben am Ufer bequem gemacht
haben es sich die Panitzscher Familien Krafft und Becker. Mit Sekt
und Erdbeertorte erwarten sie die jüngeren Familienmitglieder
am Ziel. Unterdessen sorgen die Wurzener Spielleute für Stimmung
am Ufer. Die Volkssolidarität bietet Kaffee und Kuchen an,
die Tierschützer bringen sich ins Gespräch, das Kinder-
und Jugendhaus preist sich und seine Muldewiesenkobolde an. Schwerstarbeit
leisten indes die Jungs von der Feuerwehr. Ein Boot nach dem anderen
wird aus dem Wasser gehievt und an Land getragen. Gemeinsam mit
dem THW und der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft sorgen sie
für Ein- und Ausstiege ohne Kenterrolle und helfen beim kräftezehrenden
Umtragen der Wehre.
"Wir sind um unser Leben gepaddelt",
scherzen Rolf Allgeier und Jochen Winkler. "Zwei Risse und
kein Flickzeug mit." Leipziger Paddler leisteten erste Hilfe
am Boot. Ihr Fazit: "Perfekte Organisation, die Mängel
des Vorjahres sind abgestellt, die Versorgung auf der Strecke klappt
prima." Ihren hübschen Matrosenlook haben Sally Thiele
und Jeanine Fritz (18) fast durchgeschwitzt. Am Steg Küsschen
vom Freund und Begrüßung mit Medaille:"Ihr wart
die Besten". Trotz "Puddingarmen" wollen sie wieder
mit machen, "aber im richtigen Boot", denn Schlauchboot
und Gegenwind, das war zu hart.
Der Kameramann ist längst weg, da taucht das
erste der sechs Boote aus Frankreich auf. Catherine Flavigny ist
Amateurin am Paddel. Sie und ihre Gymnasiasten aus Rouen und Mont
Saint Aignon sind als weitgereisteste Teilnehmer der Regatta pokalverdächtig.
Gut beschützt übrigens von Dieter Packmor vom Calenberger
Canoe Club Barsinghausen. "Das war ein Abenteuer für die
Schüler", ist sich Catherine Lavigny, die Vorsitzende
des Städtpartnerschaftskomitees mit Barsinghausen, sicher.
Überrascht war sie von der Freundlichkeit der Leute und der
wunderbaren Landschaft.
Inzwischen ist es 18 Uhr. Noch immer treffen Boote
am Steg ein. Meist größere oder schwer bewegliche. Punkt
sieben erklärt Uli Wünscher von der Wasserwacht vom Schlussboot
aus die Regatta für beendet. "War super", meint Anja
Kleinert, die für sich und Partner Gunter Wagner eigens T-Shirts
mit Regatta-Logos bemalt hatte. Nicht nur sie meinen: "Nächstes
Jahr unbedingt wieder."
Viola Heß
©
Leipziger Volkszeitung Online vom 02.07.00
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